Tel Aviv

Am nächsten Tag nehmen wir Kontakt mit unserem zuständigen Hafenagenten auf. Wir sollen uns ab sofort in Reichweite des Hafens in Ashdod aufhalten, es könnte sein dass unser Frachtschiff früher kommt. Also Richtung Süden nach Tel Aviv.

Tel Aviv ist eine relativ junge, moderne Stadt. Zweitgrößte Stadt Israels. Ein Kilometerlanger Strand, breite Boulevards, exklusive Boutiquen, Cafes und Hotels. Kosmopolitisch aber auch hier ist der starke amerikanische Einfluss nicht zu übersehen. Im Norden gibt es viel Bauhausarchitektur. Die Preise sind eher auf westlichem Niveau. Wir brauchen ein paar Anläufe um ein Hotel zu finden dass in unser Budget passt, denn wir wissen ja nicht genau wie lange wir hier warten müssen

Unser Hotel liegt in zweiter Reihe zum Strand. Der günstigere Zimmerpreis erklärt sich, wenn man von unserer Terrasse blickt:

Dafür liegt es schön Zentral und hat eine Tiefgarage für die Bikes. Wir verbringen den Tag mit einem Bummel durch die Stadt, gehen Kaffeetrinken auf der Dachterrasse des Carlton, und anschließend an den Strand. Wenn nicht öfters mal Kriegsschiffe durch das Panorama fahren würden, könnte man meinen man würde sich z.B. in Barcelona befinden. Ich finde das etwas pervers, aber hier stört es keinen. Was bleibt den Leuten auch anderes übrig ?
In Jerusalem hatten wir von Iris den Tipp bekommen uns unbedingt die Altstadt von Tel Aviv - „Jaffa“ anzusehen. Wir nehmen abends ein Taxi dorthin.

Jaffa oder „Jaffo“ liegt im Süden der Stadt und hat sonst gar nichts mit der Metropole gemein. Jaffa ist wirklich sehenswert. Die Geschichte reicht bis 3500 vor Christus zurück. Auf dem Berg gibt es einen sehr gut restaurierten, alten Ortskern mit kleinen Gassen in dem sich viele Künstler niedergelassen haben. In den kleinen Ateliers kann man ihnen beim Arbeiten zusehen. Wir lernen ein junges Ehepaar kennen, die hier mit deutscher Fimo-Knete tollen Schmuck herstellen. Sehr nette Leute, die uns ihr Haus zeigen was sie selbst sehr liebevoll restauriert haben. Dabei haben sie französische Kanonenkugeln, Speerspitzen, Katapultgeschosse und zahlreiche andere Kuriositäten unter dem Fußboden gefunden. Normalerweise sind solche Antiquitäten in Museen ja immer in Glasvitrinen eingeschlossen. Hier können wir die Sachen anfassen und in die Hand nehmen. Relativ unspektakulär wird hier mit der Geschichte gelebt. Simon der Gerber, aus der Apostelgeschichte, hat in Jaffa gewohnt. Das Haus gibt es noch, ist aber kein Museum, sondern ein ganz normales Wohnhaus in dem eine Familie wohnt. Das Künstlerehepaar empfiehlt uns noch die Kneipe eines Kollegen, ein paar Straßen weiter, wo sich abends die „Szene“ trifft. Das wird für zwei Tage unsere „Stammkneipe“. Interessant finde ich dass hier öfter mal Gitarre gespielt wird. Da läuft ganz normal z.B. „Foo Fighters“ und zwischendrin gibt es immer wieder mal eine kleine Pause in der Leute die Gitarre auspacken und spielen.

Insgesamt 4 Tage verbringen wir in Tel Aviv, weil wir unsere Motorräder schon 3 Tage vor der Abfahrt des Frachtschiffes in Zollverwahrung geben müssen. Am nächsten Tag fahren wir etwa 30km nach Süden, in die Hafenstadt Ashdod, um die Ausreiseformalitäten zu erledigen und unsere Motorräder abzugeben. Die Formalitäten sind wieder mal sehr zeitraubend. (Und dazu noch extrem teuer) Obwohl wir alles perfekt vorbereitet hatten, dauert allein der Papierkram etwa 3 Stunden. Danach geht es aber erst richtig los. Gepäckkontrolle. Zum ersten Mal auf dem ganzen Trip werden wir so richtig gefilzt. „Warum denn ausgerechnet bei der Ausreise ?“ frage ich mich. Wir erfahren dass es hier 2003 einen üblen Sprengstoffanschlag gegeben hat. Ein Lkw mit doppeltem Boden ist in den Hafen gefahren und zwei Selbstmordattentäter sind in die Abfertigungsgebäude gerannt,  jeweils rechts und links der Straße. Es ist damals alles in die Luft geflogen, 7 Grenzbeamte starben.
Um sich die Gepäckkontrolle richtig vorstellen zu können muss man wissen, dass diese von etwa 18-25 jährigen, meist sehr hübschen, israelischen Studentinnen durchgeführt wird, die dazu verpflichtet werden. Die Gören filzen uns dermaßen, dass ich öfters schon mal die Luft anhalten muss um cool zu bleiben. Dann werden wir alle noch getrennt befragt (verhört), nach Herkunft, Reiseverlauf etc. und unsere Angaben werden miteinander verglichen.

Meine Packrolle liegt in dem Scanner und die kleine, gutaussehende Israelin fragt mich ob ich dort Kabel drin hätte. Ich verneine. Sie fragt mich noch einmal, ob sich wirklich keine Kabel darin befinden würden. Ich sage nochmals: “No.“ Im gleichen Moment wird mir klar, dass ich meine Ersatzbowdenzüge bei der Reparatur des Tankrucksacks in Jerusalem kurzfristig in der Packrolle verstaut hatte, das hatte ich nur inzwischen vergessen. Aber es ist schon zu spät. Jetzt muss ich alles auspacken und die Göre dreht jede Unterhose und jeden Socken auf links. In allen Gepäckstücken.
Es hat etwa 7 Stunden gedauert bis wir unsere Bikes und das Gepäck endlich in einer gesicherten Lagerhalle im Hafen hatten. Die (auch weiblichen) Hafenagenten meinten das wäre doch noch schnell gewesen.
Eine Sache habe ich noch ganz genau in Erinnerung. Nachdem wir die Gepäckkontrolle hinter uns haben, steht die etwa 20 jährige (wirklich hübsche) israelische Gepäckkontrollgöre neben Werners Chopper und baggert auch gleich rum. Sagt zu Werner: „ Oh, that looks like fun… bla, bla..“. „Warum macht so ein Chopper immer am meisten Eindruck ?“ Ggrrrr.

Wir fahren mit einem Taxi zurück nach Tel Aviv und lassen unsere Motorräder (schnief…) zurück.
Jetzt, wo wir keine richtigen Biker mehr sind, widmen wir uns dem Strand- und Stadtleben, was bleibt uns auch anderes übrig. Den Abend verbringen wir wieder in Jaffa. In Tel Aviv gibt es keine Sperrstunde, es ist die ganze Nacht etwas los. Am nächsten Tag sitzen wir nachmittags in einem Cafe und können es kaum glauben: Iris aus Jerusalem ist auch hier, hatte etwas geschäftliches zu erledigen. Sie sagt: “Das ist schon ein besonderer Zufall, dass wir uns hier wiedertreffen.“ Es entsteht wieder eine lange, spannende Unterhaltung, bis weit nach Sonnenuntergang.
Auch sonst haben wir viele interessante Begegnungen in Tel Aviv gehabt. Beispielsweise ein Jongleur am Strand, den Rugard fotografiert hat. Dabei sind sie ins Gespräch gekommen und der Jongleur war eigentlich ein hochrangiger Wissenschaftler (Atomphysiker) der hier nur seine Zerstreuung suchte.  

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